2130

global news 2130 07-09-10: Die globale Bildungsschlacht

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14 Responses to 2130

  1. Danke für die deutlichen Zahlen. Eine Bankrotterklärung.

    Die Gestrigen werden die Qualitäten der nationalen Ausbildungsgänge hinterfragen weil die schiere Zahl nichts über des Ingenieurs Qualität aussage während in China die Masse der Studierenden weiter mit annähernd 15 oder 16% per annum wachsen wird und immer auch Englisch, dazu oft Deutsch, Französich oder Spanisch einschließt – und das fachlich anwendbar.

    Diese Bildungsschlacht ist verloren, die um Arbeit schon lange; wir verschenken unser know-how, unsere Zukunft und die unserer Kinder.

    Warum zum Teufel sieht das niemand.

    caw

  2. Tom sagt:

    Guten Tag Herr Jahnke,

    die absoluten Zahlen besitzen aus meiner Sicht nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit. Hierbei wird nämlich die allgemeine Entwicklung der Bevölkerung ausgeblendet. Daher wäre es beser, die prozentualen Anteile zu vergleichen (am besten in Prozent bezogen auf einen Geburtsjahrgang).
    Dass man bei einem schrumpfenden Anteil an junger Bevölkerung verstärkte Anstrengungen untenehmen muß, um die absoluten Zahlen zu halten, unterstreicht die Dringlichkeit.

    MfG
    Tom

    • globalnote sagt:

      @Tom,

      Sehr gut, aber das Statistische Bundesamt liefert nun mal nicht die Zahlen bezogen auf einen Geburtsjahrgang. Und der Prozentanteil der Chinesen wird am Beispiel der USA dargestellt. Im Wettbewerb entscheidet am Ende aber die absolute Zahl wie auch die absolute Größe einer Volkswirtschaft. Je mehr Ingenieure, je stärker.

      Beste Gruesse
      Joachim Jahnke

  3. Gaby sagt:

    Hallo in die Runde,

    ich schätze, wir haben es nicht nur mit einer globalen Bildungsschlacht, sondern einer globalisierten Psycho-Schlacht zu tun.

    Mit der Aufnahme Chinas in die WTO im Herbst 2001 wurden die westlich industrialisierten Länder konfrontiert mit höchst unfairen ökonomischen Tricksereien wie beispielsweise Lohn-, Sozial- und Umweltdumping. Wir wurden durch unsere westlichen Unternehmer mit der Drohung der Arbeitsplatzverlagerung nach Asien in Angst und Schrecken versetzt und von chinesischen Exporten geradezu überrollt. Wir haben seither, nicht nur in Deutschland, eine gravierende Zunahme psychischer Erkrankungen zu verzeichnen; vorneweg Angststörungen und Depressionen.

    Gleichzeitig, mit dem Wachsen unserer psychischen Probleme, vollzog sich in China ein tiefgreifender Wandel, denn mit dem Import westlicher Waren und dem westlichen Lebensstil des american way of life wurden auch unsere seelischen Krankheiten ins Land „geholt“.

    In der aktuellen Printausgabe des SPIEGELs gibt es ab Seite 116 einen seitenlangen Bericht mit dem Titel „Weltmacht auf der Couch“ – Getrieben von Perfektionismus, zerrieben vom Leistungsdruck, streben die Chinesen zum Therapeuten. Sie leiden unter Depressionen und Angststörungen.

    Im Bericht heißt es: Angststörungen nehmen zu und auch Zwangssymptome. Schüler, die immer wieder und wieder prüfen, ob sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, die unter Herzrasen, Bettnässen, Magenschmerzen leiden. Mit seinen 230 Millionen Wanderarbeitern ist China eine entwurzelte Gesellschaft; das nagt tiefgreifend an den chinesischen Seelen.

    Auf dem Land lesen die Menschen nicht das Magazin „Psychologies“, das mit einer monatlichen Auflage von 800.000 erscheint, da trinken sie Pflanzenschutzmittel. 150.000 Bäuerinnen, schätzt man, bringen sich in China jedes Jahr um. Arm, unterdrückt, verzweifelt sind die Frauen; viele nehmen Gift. Je voller die Teller des chinesischen Mittelstandes werden, desto heftiger grassieren Essstörungen wie Magersucht und Bulimie.

    Rund 250.000 Chinesen bringen sich jedes Jahr um. Geschätzte 173 Millionen Erwachsene Chinesen leiden unter psychischen Störungen und ca. 158 Millionen von ihnen haben bisher keine professionelle Hilfe erhalten. Die chinesische Regierung ist mittlerweile alarmiert und sieht akuten Handlungsbedarf per psychologischer Massenbetreuung.

    Jede Medaille hat zwei Seiten. Die eine Seite zeigt uns beeindruckende chinesische Studentenzahlen, die andere Seite lässt uns ahnen, auf wessen in Geld nicht bezifferbare Kosten die chinesische Regierung ihre kapitalistische Großmannsucht auf dem Buckel der eigenen wie der westlichen Bevölkerung austrägt.

    Schönen Abend noch,

    Gaby

    • globalnote sagt:

      @Gaby,

      Vorsicht mit Selbstmordraten. Die deutsche in einem Land, in dem Leben so viel mehr wert zu sein scheint, ist mit 12 auf 100.000 auch nicht viel niedriger als in China mit 19 auf 100.000.

      Beste Gruesse
      Joachim Jahnke

  4. Gaby sagt:

    Guten Abend, Herr Dr. Jahnke,

    Sie haben mit Ihrem Einwand völlig Recht. Die Selbstmordraten in Deutschland sind hoch. Rund zwei Menschen pro Tag.

    Also ist die psychische Gesundheit der Menschen nichts, was im Kapitalismus wichtig ist – es zählt allein ihre Arbeitskraft.

    Es wird obendrein noch Geld aus der psychischen Verwirrtheit der Menschen geschlagen. Laut SPIEGEL-Bericht muss ein Chinese derzeit umgerechnet 100 Euro pro Therapiestunde zahlen; die wenigsten Chinesen können sich das leisten. Der Durchschnittsverdienst liegt derzeit bei umgerechnet 200 Euro monatlich.

    Liebe Grüße

    Gaby

  5. Markus sagt:

    Ob die USA im Bildungsbereich auch künftig „die Nase vorn haben“ werden, ist eine interessante Frage. Um die Sprößlinge der Reichen und Superreichen wird man sich im disparaten US-Bildungssektor keine Sorgen machen müssen.

    http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=5493

  6. G. Perthen sagt:

    Mein Problem bei derartigen Zahlen ist das Problem der Vergleichbarkeit.
    Aus meiner beruflichen Tätigkeit im exportorientierten Maschinenbau bin ich immer wieder auf das Problem gestoßen, dass das theoretische Wissen von amerikanischen, chinesischen, japanischen, koreanischen Ingenieuren zwar ordentlich ist, aber in der praktischen Anwendung so große Lücken bestehen, dass die Umsetzung in die Praxis stark behindert wird. Gleichzeitig wird der theoretische Hintergrund unserer Facharbeiter stark unterschätzt. So sagte mir z. B. ein koreanischer Fertigungsingenieur, dass seine Firma in ihrer chinesischen Fertigung (chinesische) Ingenieure an die CNC-Werkzeugmaschinen stellen müssten, weil die Qualifikation der normalen Arbeiter nicht ausreichten, eine derartige Maschine auch nur zu bedienen. Bei uns kann das jeder Zerspanungsmechaniker und üblicherweise kennt er alles Übrige, um selbständig ein Teil zu fertigen, wenn er nur die korrekte Zeichnung vorliegen hat. Nach meiner Erfahrung ist, zumindest im Bereich Zerspanungsmechaniker und Mechatroniker, ein durchschnittlicher Facharbeiter einem durchschnittlichen Engineer – sagen wir chinesischer Bauart – in allen praktischen Belangen ebenbürtig. Dies wissend relativieren sich die genannten Zahlen. Für eine genauere Betrachtung müsste man den Bedarf an diesen Fachkräften pro produzierte Einheit kennen, um die Anzahl der Fachleute, die für eine Verbesserung der Wettbewerbssituation zu Verfügung stehen, einschätzen zu können. Und dies berücksichtigt noch nicht die individuelle Produktivität.
    Auch in anderen Bereichen wäre zu klären, was alles zum tertiären Bereich gezählt wird: Sind unsere Technikerschulen, die Ausbildungen zur Krankenschwester, AltenpflegerIn oder die Berufsschulausbildung zur Sprechstundenhilfe oder Systemadministrator etc. nicht enthalten und verzerren das Bild wie oben bei den Industrieberufen beschrieben?
    Dazu kommt, dass die Bürokraten die theoretischen Kenntnisse über- und die praktische Anwendung unterschätzen. Ich glaube nicht, dass wir ohne Grund in vielen Bereichen Weltmarktführer und eine beachtenswerte Exportnation sind.
    Kurz: Statt auf diese etwas unsinnigen statistischen Vergleiche zu starren, sollten wir mehr unser gesamtes Bildungswesen auf seine Stärken untersuchen und diese verstärken und, wo sie bereits durch unsinnige Übernahmen aus anderen Ländern verwässert worden sind, wiederherstellen. Und, nicht zu vergessen, das Wohlergehen einer Bevölkerung hängt von der vollen Nutzung der jeweils individuellen Talente ab und nicht von der Zahl der akademisch ausgebildeten Juristen, BWL’er etc. Somit ist als erstes die Schande zu beseitigen, dass jedes Jahr zig-Tausende Jugendliche ohne einen vernünftigen Schulabschluss in ein chancenarmes Leben entlassen werden.

    • globalnote sagt:

      Ja, natürlich ist nich alles total vergleichbar. Trotzdem ist der Antritt der Chinesen sehr eindrucksvoll. Vergessen Sie bitte auch nicht, daß dort anteilig viel mehr technische oder naturwissenschaftliche Fächer studieren als in Deutschland, das viel zu wenig Ingenieure ausbildet. Und der chinesische Arbeiter, der heute eine CNC-Maschine noch nicht bedienen kann, wird das in einigen Jahren auch können.

  7. Gaby sagt:

    Guten Abend, G. Perthen und Mitdiskutanten,

    mein Ehemann ist Monteur für Zellstoffverarbeitungs-Maschinen, die er in der ganzen Welt aufstellen, einarbeiten und die Arbeiter vor Ort schulen muss. Seit 1998 wird er auch immer wieder für mehrere Wochen nach China geschickt; lebt und arbeitet also vor Ort mit den Arbeitern zusammen. Er erzählt von den gleichen Beobachtungen, die auch Du gemacht hast.

    Ein chinesisches Ingenieursstudium entspricht in etwa unserer Ausbildung zum Schlosser. Da sind tatsächlich enorme Unterschiede zwischen der chinesischen und deutschen Ausbildung. Aber, wie Dr. Jahnke schon anmerkte, holen die Chinesen auf – man sollte sie nicht unterschätzen. Sie zeigen das ja heute schon sehr eindrucksvoll, indem sie unsere Produkte kopieren und ein wenig modifizieren. Erfindergeist lässt sich derweil noch nicht wirklich ausmachen. Aber das Kopieren unserer Produkte wird dazu führen, dass die Chinesen immer mehr Kenntnisse und Fertigkeiten erlernen und ich bin davon überzeugt, dass sie es eines Tages fertig bringen, ebenso wie die Japaner (über die wir vor 40 Jahren noch lachten!), mit eigenen Erfindungen und qualitativ hochwertigen Produkten zu glänzen.

    Allerdings vermute ich, dass die kommunistische Gesellschaftsform dem aufkeimendem Erfindergeist destruktiv im Wege steht. Innovationen entstehen kaum unter politischem Zwang oder mangelhaften ökonomischen wie sozialen persönlichen Verhältnissen, sondern benötigen die bestmögliche individuelle Freiheit und die gewährleisten bisher am besten die westlichen Demokratien und, ich schreibe es ungern, freie Märkte, also Konkurrenzdruck und persönliches Profitstreben. Ich vermute also, dass sich Chinas Gesellschaftsstruktur in den nächsten 20 Jahren peu á peu ändern wird und zwar hin zu mehr politischer wie ökonomischer Freiheit seiner Individuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Gaby

    • G.Perthen sagt:

      Vielen Dank für die Information.

      Sicher werden die Chinesen aufholen und selber kreativ werden – ich vermute, aus kulturellen Gründen sogar schneller als die Japaner – und es ist natürlich illusorisch zu glauben, dass ein Millionenvolk genausoviel oder sogar mehr kluge Leute hervorbringt als ein Milliardenvolk. Umso wichtiger ist aber einerseits, die eigenen kulturell hervorgebrachten Institutionen zur Förderung von Talenten zu erhalten und zu verbessern, was sicher ganz viel mit deren Finanzierung (ab dem Kindergarten) zu tun hat, und andererseits politisch dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb auf den Märkten (und zwischen den Nationen) fair abläuft.

      Anmerken möchte ich noch einen Punkt: was mir bei allen Diskussionen in diesem Themenkreis ausgeblendet scheint, ist die Bedeutung kultureller, historisch gewachsener Werte. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass es einen Stil-Unterschied zwischen z. B. italienischen und französischen Maschinen auf der einen Seite und deutschen und schweizer Maschinen auf der anderen Seite gibt. Vermutlich läßt sich dies aus unterschiedlichen Handwerkstraditionen erklären (ich bin kein Kulturwissenschaftler) und mir scheint wichtig, diese Traditionen, die, wie sich an den Exporterfolgen zeigt, auch ein Wettbewerbsvorteil sind, zu erhalten und zu pflegen. Diese Traditionen wirken im Übrigen bis in die (Natur-) Wissenschaften hinein, auch hier lassen sich m. E. die unterschiedlichen Stile beobachten.

  8. Gaby sagt:

    Hallo, G. Perthen und Mitlesende,

    wenn ich meinem Mann glauben darf, gibt es die von Dir angesprochenen mentalen Unterschiede im Maschinenbau und der Arbeitsweise der Menschen tatsächlich. Gerade bei den Chinesen fällt das ganz krass auf.

    Der Arbeitgeber meines Mannes hat ein chinesisches Tochterunternehmen, das vergleichsweise Maschinen wie im deutschen Stammwerk baut, jedoch viel kleiner, viel weniger leistungsfähig und somit können diese Maschinen auch beträchtlich billiger angeboten werden. Die Krux: Es gibt keine Chinesen, die diese Maschinen kaufen, denn der chinesische Maschinenbau hat im eigenen Land einen grottenschlechten Ruf. Kein Chinese traut einem chinesischen Ingenieur über den Weg. Chinesen kaufen derzeit viel lieber Made in Germany, was nicht nur dem deutschen Maschinenbau, sondern auch unserer Automobilindustrie zugute kommt.

    Den Chinesen fehlt es vielfach an Nachhaltigkeit. An den Wochenenden vergessen sie, wie die deutsche Maschine bedient wird. Montags muss die Arbeiterschaft neu angelernt werden. Statt einer Woche Schulung, wie das in Europa üblich ist, benötigen Chinesen drei Wochen, bis sie endlich gelernt haben, eine Hightech-Maschine zu bedienen. Von sich aus kommt ein chinesischer Arbeiter auch nicht auf die nächsten Schritte, die getan werden müssen. Stattdessen wird sich gegen die deutsche Maschine gelehnt und gedöst. Chinesische Arbeiter brauchen ganz klare Anweisungen, was zu tun ist und Teamarbeit müssen sie auch erst einmal lernen. Gewöhnlich arbeiten zusammengestellte Teams gegensätzlich, behindern sich also gegenseitig. Bestes Beispiel: Halle kehren, also vom millimeterdicken Zellstoffstaub befreien. Sofort melden sich mehr als 20 fröhlich grinsende Chinesen, die alle helfen wollen. Jeder schnappt sich einen Besen und jeder kehrt in eine andere Richtung, gar über Kreuz mit seinem Kollegen. Das Resultat ist zwar keine saubere Halle, aber der ganze Dreck ist nun anders verteilt. Chinesen halten so eine sinnlose Sauerei für sauber und ordentlich.

    Uli hat mal vom Hotelzimmer aus zugeschaut, wie Chinesen eine Betonmauer bauen. Viel Sand, viele Steine, wenig Zement. Es muss ja billig sein. Die Mauer steht eines Tages und hält auch. Aber nach fünf Jahren sieht die Mauer derart vergammelt aus, wie bei uns nach 50 Jahren. So geht das mit allen Gebäuden, die die Chinesen hochziehen. Nach rund fünf Jahren sehen sie aus wie Schrotthaufen, allein schon, weil die Nachhaltigkeit in der Wartung fehlt.

    Mein Ehemann schiebt diese merkwürdige Arbeitsweise auf die unterschiedliche kapitalistische Historie bzw. unterschiedliche Entwicklung der Chinesen und der Westeuropäer, seit die Industrialisierung eingeläutet wurde.

    Viele Grüße

    Gaby

    • … es gibt keinen Grund, sich darauf auszuruhen, auf dieser merkwürdigen Arbeitsweise; das Ausruhen ernährt weder noch löst es die überbordenden Probleme.

      caw

    • G. Perthen sagt:

      Genau so zeigt sich der kulturelle Hintergrund auf dem wir unsere gesamten Aktivitäten entfalten – in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Pfusch und solider Arbeit, von zielgerichtetem, gemeinschaftlichen Handel und (sinnloser) Aktivität.
      Um den Erhalt dieses kulturellen Hintergrunds, dazu gehört übrigens auch das – leider wegen abnehmender Solidarisierung schwächer werdende Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften auf der einen und der Unternehmer und Arbeitgeberverbänder auf der anderen Seite – mache ich mir durchaus Sorge, vor allem wegen der unkritischen Übernahme angelsächsischer Betrachtungsweisen seitens der Politiker und amerikanischer Managementmoden seitens der Arbeitgeber.

      Vielen Dank für die interessante Diskussion.

      G.P.

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